Auf Lydias Wunschliste steht ein Besuch in St. Jacobs im Mennonitengebiet und eine Einkaufstour auf dem Farmers' Market. In der Region sind die 40'000 Mennoniten für ihre traditionelle Lebensweise und ihre hochwertigen landwirtschaftlichen Produkte bekannt. Das Städtchen St. Jacobs, einst Jacobstettl genannt, ist hübsch und hat noch viele kleine Kunsthandwerkerläden, erscheint uns aber mancherort sehr touristisch aufgeputzt. Dafür erleben wir im Infocenter eine interessante Ausstellung und einen kurzen Film über die Geschichte der Mennoniten (Wiedertäufer). Uns überrrascht, dass deren Wurzeln bis nach Zürich (zur Zeit des Reformators Zwingli) und Bern reichen (Über die Geschichte der Mennoniten und Amish schreiben wir später unter "Dies&Das".)
Unser Besuch des Mennoniten-Marktes in St. Jacobs bleibt nicht ohne Folgen. Hier begegnen wir am Nachmittag einer Gruppe Ostschweizer, mit denen wir schnell ins Gespräch kommen. Spontan laden uns Dorly und Max Scheiwiller auf ihre Farm in Grand Valley (Nähe Orangeville) ein, die nur eine Autostunde entfernt sei. Gespannt auf das, was uns da erwarten würde, sagen wir gerne zu.
Zuerst muss ich aber in einem Fachgeschäft für Elektrovelos, das wir in der Nähe des Marktes entdecken, meine Bremsen am Flyer reparieren lassen. Wir beschliessen, während der Wartezeit nach Elmira zu fahren, ein kleines Städtchen in der Nähe von St. Jacobs, das von Mennoniten bewohnt ist und weniger touristisch sein soll. Mennoniten auf der Strasse sehen wir zwar nicht, dafür gibt uns eine Kanadierin den Tipp, in eine naheliegende Scheune zu gehen, wo die Mennoniten jeweils ihre Kutschen und Pferde unterstellen. Gesagt, getan. Hier treffen wir auf eine junge traditionelle Mennonitenfamilie. Der Mann ist gerne bereit, mit uns zu sprechen, als wir ihm erzählen, dass wir aus der Schweiz kommen. Den Namen Zürich hat er schon mal gehört. Die Frau bleibt leider stumm und den drei sehr schüchternen Kindern kann Lydia nur mithilfe einer Tafel Schokolade ihre Namen entlocken (Ruth, Rebecca und Samuel). Für ein Foto ist die Familie aber leider nicht zu haben, was wir akzeptieren, aber dennoch ein bisschen schade finden.
Wieder zurück beim Velohändler erreicht uns ein Anruf von Dorly, die fragt, ob wir nicht auch Lust hätten, an ein Pferderennen zu kommen. Ihr Sohn Ralph mit Frau sowie ihre Nichte Marlies Nater mit Tochter Marlene aus der Schweiz, die zur Zeit bei ihnen in den Ferien weilen, seien auch dabei. Spontan sagen wir zu und verbringen den schönen und warmen Sommerabend an der Trabrennbahn in Grand River. Wir sind beindruckt ob dem Tempo der trabenden Pferde. Wie das Wetten auf Pferde funktioniert, verstehen wir aber auch nach einer kurzen Erklärung nicht so genau. Müde, jedoch um ein interessantes Erlebnis reicher, fahren wir gegen Mitternacht auf die 1 Stunde entfernt gelegene Farm.
Bei Eier und Speck zum Frühstück lernen wir uns am nächsten Morgen gegenseitig besser kennen. Wir haben allerdings nicht viel Zeit, denn das zweite Schweizer Ehepaar, das wir am Farmers' Market in der gleichen Gruppe kennen gelernt haben, will uns auch noch einmal sehen. Also sitzen wir schwupps zusammen mit Marlies und Marlene im Auto von Dorly und sind nach 3/4 Stunden bei Trudi und Walter Huber zum Apéro. Nebst 100 ha zu bewirtschaftendem Land hätten sie nur noch 30 Mutterkühe, die ihnen jährlich 30 Rinder für den Metzger schenken würden, erklärt mir Walter. Er wäre eigentlich im Pensionsalter, möchte aber nicht aufhören zu arbeiten. Trudi hat vom Farmern genug und zeigt uns ihr blühendes Gartenreich mit Pergola und Swimmingpool und vielen Gemüsebeeten.
Wieder zurück bei Scheiwillers werden wir in ihrem schönen Zuhause mit frischen Salaten und Wienerli versorgt. Dann geht’s wieder los mit Dorlys Auto Richtung Orangeville zum Rodeo. Wir alle sind begeistert ob dem tollen Programm, schöne Pferde, Barrel Race, Bull Riding, Lassowerfen und vieles mehr wird geboten. Ein super Nachmittag. Mit vielen neuen Eindrücken fahren wir abends zurück zur Valley Stream Farm.
Aber noch nicht genug der Erlebnisse, denn nach dem Nachtessen zeigt uns Max sein landwirtschaftliches Imperium. Max und Dorly haben während 40 Jahren mit viel Einsatz und Fleiss zusammen mit ihren zwei Söhnen aus dem Nichts eine sehr grosse Farm aufgebaut. Ihr riesiges Ackerland können wir nur mit dem Auto bereisen und stehen dann am Schluss der Besichtigung vor einem unglaublichen Maschinenpark. Als letztes zeigt uns Max seinen jetzigen Haupterwerb, die Hühnerfarm, auf der täglich 53'000 Eier verpackt werden. Kurz vor dem Einnachten streicheln und füttern wir noch seine 13 schönen Haflinger und Pintos, auf die er besonders stolz ist.