Québec erlebten wir als interessante Stadt und haben das bunte lebhafte Treiben auch sehr genossen. Als Ausgleich dazu freuten wir uns, wieder die Natur zu erkunden. Die nahe gelegene "Réserve faunique de Portneuf" (Wildreservat) www.sepaq.com/rf/por/ kam uns gelegen. Das Reservat liegt nur 100 km von Québec City entfernt und bietet gemäss Prospekt nebst üppigem Wald, Hütten und idyllischen Seen auch die Möglichkeit zum Fischen.
Bei der Parkverwaltung angekommen, erfolgte unsere Anmeldung auf englisch, denn die Parkranger sprachen ein Französisch, das ich überhaupt nicht mitbekam und Lydia, die gut französisch spricht, auch beim besten Willen nur Brocken davon verstand. Der junge Ranger Louis-Philippe meinte, nachdem er unseren Camper durch sein Bürofenster kurz inspiziert hatte, er wüsste da einen schönen Platz für uns allein, der kürzlich neu erstellt worden sei und nur 2 km von der Parkstrasse entfernt wäre. Da wir Fahrräder dabei hätten, könnten wir dann an einem nahe gelegenen fangsicheren Flüsschen fischen gehen. Camping rustique nannte er dies und der Ort heisse Vieille Grange. Übrigens werden in vielen Parks, wie auch hier, die genauen Standorte zum Fischen zugeordnet und die Fangquoten auf 5 Fische pro Tag limitiert. Ausserdem war gerade Fête de la Pêche (Fischerfest) in Québec und der Park war sehr gut belegt von Fischern.
Wir gingen auf seinen Vorschlag ein. Camping rustique tönte ja gut, denn wir hatten in unserem Camper alles dabei. Er bot uns zudem die Möglichkeit an, bei Nichtgefallen wieder zurückzukehren und einen andern Platz auszuwählen.
Wir fragten vergebens nach einem Wasseranschluss. Das Wasser sollten wir aus dem Fluss entnehmen. Also fuhren wir sofort los, denn es war inzwischen bald 17 Uhr geworden und wir wollten nicht im Dunkeln beim Campingplatz ankommen.
Eine geteerte 10 km lange Strasse führte uns zum Parkeingang. Es folgten weitere 12 km Naturstrasse mit dichtem Wald. Die Strasse durch den Park würden wir eher als harte ausgeschlagene Schotter-Lehm-Piste bezeichnen.
Die angegebene max. Geschwindigkeit von 55 km/h erreichten wir nie, da es uns schon bei 40 km/h arg durchschüttelte. Ab und zu konnten wir links und rechts, nicht weit von der Strasse entfernt, an Seeli gelegene Holzhütten entdecken, die uns eben dieses Gefühl der Idylle vermittelten.
Wir waren froh, als der Abzweiger "Relais de la Vieille Grange 2 km" vor uns auftauchte. Die neugebaute Strasse erschien uns anfangs als einigermassen befahrbar, etwas schmal war sie schon, aber wir sind uns das von Europa her gewohnt. Oft sind da die Zufahrten zu den Campingplätzen eng und kurvig.
Nun hatten wir den ersten Kilometer hinter uns, da stellten wir fest, dass immer mehr Äste ans Fahrzeug schlugen, auch der Strassenboden wurde stetig weicher und schwierig mit Vorderradantrieb zu befahren. Wir bekamen Zweifel an dieser Ortszuweisung. Ein Umkehren gab es aber nicht, zu eng war die Strasse zum Wenden. Mein Bauchgefühl sagte mir, eigentlich sollten wir bei der bestmöglichen Stelle versuchen zu wenden. Erzürnt über dieses Angebot des Rangers, entschlossen wir uns dann doch weiterzufahren, um hoffentlich am Ende des Weges umkehren zu können. Eine schöne Gegend war es für uns definitiv nicht, feuchter und dichter Wald in einem engen Tal ohne jeglichen Weitblick.
Kurz nach unserer Entscheidung lag vor uns eine Senke. Gib Gas, dachte ich noch, sonst schaffst du den Hang da vorne nicht. Kaum gedacht, drehten die Vorderräder auf dem weichen Lehmboden schon durch und der Camper kam rückwärts ins Rutschen. Instinktiv steuerte ich den Camper Richtung Hang links. Nach mehreren Metern Rutschfahrt kam er in den Büschen zum Stillstand.
Nun stand unser Jumbolino da, schräg in der Strasse, der hintere Teil links zum Hang hin in den Büschen und vorne die rechte Seite mit einem knappen Meter Abstand an einem steilen Abgrund, der zu einem 30 Meter tiefer gelegenen reissenden Fluss führte. Jeder Versuch, den Camper wieder auf die Strasse zu bringen, scheiterte.
Ohne Hilfe von Dritten gab es keinen Rückweg und eine Telefonverbindung in dieser Wildnis konnten wir auch vergessen. Kurzentschlossen entschied Lydia, mit dem Velo Hilfe zu holen. Glücklicherweise konnte ich unsere Fahrräder hinten auf dem Träger noch losbinden. Sie radelte los und ich blieb beim Fahrzeug. Als sehr mühsam erlebte Lydia den Rückweg auf diesem losen Kiesboden, wie sie mir später erzählte. Auf der Parkstrasse war weit und breit kein Mensch und kein Fahrzeug zu sehen. Also trat sie kräftig in die Pedale auf dieser Schlotterpiste Richtung Parkeingang.
Endlich nach ca. 8 km kam ihr ein Offroad-Fahrzeug mit dem Signet der Parkverwaltung entgegen. Auf ihr verzweifeltes Handzeichen hin stoppte der Ranger, der mit seiner Frau auf dem Heimweg war. Lydia erklärte ihm unsere sehr ungemütliche Situation. Sofort lud er sie und ihr Velo auf und alle drei trafen am Unfallort gegen 19 Uhr ein.
Inzwischen hatte ich mir Gedanken über die Fahrzeugevakuierung gemacht und mit Mückenspray von Kopf bis Fuss eingenebelt die Umgebung ausgekundschaftet. Die Befreiung unseres Fahrzeuges aus der misslichen Lage war nur mit einer Seilwinde realisierbar, das anschliessende Weiterfahren kam nicht in Frage, hätte es doch auf den letzten 300 m weitere unüberwindbare Hindernisse gegeben. Der Camper war glücklicherweise nicht beschädigt. Etwa 300 Meter weiter zurück gab es eine kleine Strassenausbuchtung, die ich metergenau ausmass. Der Boden war da fest, also gäbe es hier die Möglichkeit, den Jumbolino zu wenden.
Der Ranger liess sich schnell von meinen Lösungsvorschlägen überzeugen und bestellte per Funk via Zentrale einen Abschleppwagen mit Seilwinde. Er verabschiedete sich von uns mit der Meldung, dass in ca. einer Stunde Hilfe eintreffen würde.
Es war ein langes, ungemütliches Warten, um so mehr, als es langsam zu dunkeln anfing. Gegen 20 Uhr traf der Laster dann auch ein. Der junge Ranger Louis-Philippe, der uns das urwaldähnliche Gelände zugeordnet hatte, war auch mitgekommen, um sich persönlich ein Bild über die Unglücksstelle zu verschaffen. Er entschuldigte sich über diese blödsinnige Platzzuweisung mit dem Hinweis, dass er diese Gegend das erste Mal in natura sehen würde.
Der Fahrer des Abschleppdienstes erwies sich gottseidank als sehr kompetent, er wusste innert Kürze, was zu tun war. Er befestigte eine Umlenkrolle an einem stämmigen Baum vor dem Jumbolino und hängte unser Fahrzeug an ein Stahlseil, das er über diese Rolle mit dem Abschleppwagen verband. Dann zog er den Jumbolino mit der Seilwinde langsam die Strasse hoch.
Er bot mir an, den Camper im Rückwärtsgang über die schwierige Passage zu fahren, worüber ich sehr froh war, und führte dies dann ebenso profimässig aus wie das Hochziehen vorher.
Die 300 Meter lange Rückwärtsfahrt zum beschriebenen möglichen Wendeplatz war dann meine Herausforderung. Mit vielem Hin und Her konnte ich hier unser Fahrzeug wenden. Es war schon dunkel, als wir sehr erleichtert auf dem geteerten Parkplatz vor der Parkverwaltung eintrafen.
Wir durften da über Nacht stehen bleiben, ruhig geschlafen haben wir nicht, aber wir waren beruhigt, wieder festen Boden unter den Rädern zu haben. Louis-Philippe bot uns am nächsten Morgen einen andern schönen Platz im Park an. Wir hatten aber genug vom ersten Versuch und beschlossen, in einen anderen Park mit besserer Infrastruktur zu fahren.
Er entschuldigte sich nochmals und erstattete uns das Geld für Camping und Fischpatent zurück. Die Kosten für das Abschleppen übernahm der Park. Ich möchte es nicht versäumen, seinen Schlusssatz noch zu erwähnen, wir hätten gestern einen sehr kompetenten Mann vom Abschleppdienst gehabt, das sei dann nicht immer so.
Viel Glück im Unglück hatten wir bei unserem Abenteuer Camping rustique und sind dadurch um eine Erfahrung reicher geworden. Wir haben einmal mehr daraus gelernt, dass man bei Entscheidungen auch auf das Bauchgefühl hören soll.